Gartenreichbrief -
Neues von der Kulturstiftung

Die Büste Christian Fürchtegott Gellerts

Das Labyrinth im Wörlitzer Park ist sinnbildlich als Weg des Lebens angelegt, der in die Irre oder in die Glückseligkeit führen kann. Zwei Büsten im Rondell des Labyrinths stellen den Dichter und Morallehrer Christian Fürchtegott Gellert sowie den Schweizer Pfarrer Johann Caspar Lavater dar. Doch offenbar wurden die Büsten bereits vor langer Zeit vertauscht. Nach einer Recherche konnten die beiden Skulpturen nun wieder an ihren richtigen Platz zurückkehren.

Beide von dem Weimarer Bildhauer Martin Gottlieb Klauer geschaffenen Büsten sind auf Sockeln mit eingravierten Zitaten platziert. Der Fehler der Zuordnung findet sich schon auf Fotos in Publikationen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Gellert stand bis vor Kurzem fälschlicherweise auf dem Sockel mit dem eingravierten Lavater-Zitat: „Dass mein Sinn dem Deinen gleiche“. Die Büste Lavaters schmückten Worte Gellerts: „Heil sei dir/ denn du hast mein Leben/ Die Seele mir gerettet Du.“ Wann und in welchem Zuge die falsche Zuordnung passierte, konnte nicht ermittelt werden.

Dr. Jana Kittelmann, Leiterin des Referats Kunstforschung und Sammlung, hat den Tausch bzw. die ‚Richtigstellung‘ der Porträtbüsten gemeinsam mit Linda Kühnel aus der Abteilung Baudenkmalpflege der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz betreut. Sie betont: „Damit ist eine wichtige Bedeutungsebene wiederhergestellt, die für das Verständnis der Anlage und ihres Schöpfers zentral ist“. Bei der Recherche geholfen haben die Auswertung zeitgenössischer Reiseberichte, Lebenszeugnisse und Briefe. So wird in einem Brief berichtet, dass die Fürstin Louise von Anhalt-Dessau den steinernen Kopf Lavaters persönlich ins Labyrinth gebracht, mit einem Blumenkranz geschmückt und darauf geachtet habe, dass die Büste in Richtung Süden nach Zürich gerichtet sei. Dorthin schaut Lavater nun wieder.

Rondell mit Nischen in denen Büsten stehen umgeben von Bäumen und BüschenDas Labyrinth im Wörlitzer Park mit den Büsten Lavaters und Gellerts

Hintergrund
Die Allegorische Partie mit dem Labyrinth in Neumarks Garten hat eine zentrale Bedeutung für den Landschaftsgarten. Schon die Zeitgenossen interpretierten sie als wichtiges autobiographisches Zeugnis des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau. So vermutete August von Rode, Verfasser einer Beschreibung des Gartens, dass das „Labyrinth und die damit zusammenhängenden Partien eine Allegorie […] vielleicht auch des Lebens des Fürsten“ sei. Die intellektuelle, religiöse und moralische Erziehung und Prägung des Fürsten werden hier in der gestalteten Landschaft besonders deutlich. Unter dem Motto „Waehle Wanderer deinen Weg mit Vernunft“ ist der Landschaft ein zentrales Schlagwort der Epoche der Aufklärung eingeschrieben.

Gellert, ein Literaturstar des 18. Jahrhunderts, hatte in Leipzig „Moralische Vorlesungen“ gehalten, bei denen unter anderem Goethe und Basedow anwesend waren. In persönlichen Gesprächen mit dem Fürstenpaar von Anhalt-Dessau vermittelte Gellert diesem tiefe Einblicke in seine Gedanken-, Ideen- und Empfindungswelt. Vor allem Gellerts Frömmigkeit und sein Streben nach moralischer Vervollkommnung hinterließ großen Eindruck beim Fürstenpaar und beeinflusste die Gestaltung des Wörlitzer Gartens. Noch intensiver war der Aus-tausch mit dem Zürcher Theologen, Dichter und Seelsorger Johann Caspar Lavater, mit dem sowohl der Fürst als auch die Fürstin in einem engen Briefwechsel standen.

Jana Kittelmann, Abteilung Schlösser und Sammlungen