Winter – das heißt nicht nur kurze Tage, grau gefärbter Himmel oder der Geschmack von gebrannten Mandeln. Winter bedeutet auch Spaziergänge in frostiger Natur, Blicke in von Eis und Schnee verzauberte Landschaften oder Schlittschuhlaufen. Gerade letzteres erfreute sich schon in früheren Jahrhunderten großer Beliebtheit.
Der im Dessau-Wörlitzer Gartenreich vielgelesene Dichter Klopstock war ein begeisterter Schlittschuhläufer und hat sogar eine Ode darauf geschrieben. Goethe soll auf dem zugefrorenen Wörlitzer See beinahe eingebrochen sein. Dass die kalte Jahreszeit auch Menschen des 17. Jahrhunderts Freude machen konnte, zeigt ein bezauberndes Gemälde im Gotischen Haus. Einigen unserer Leserinnen und Leser dürfte das Bild aus einem Schulbuch bekannt sein. Das eine Winterlandschaft zeigende Gemälde mit dem Titel Eisvergnügen stammt von dem in Amsterdam geborenen Künstler Hendrick Averkamp (1585–1634) und ist um 1610 entstanden. Es ist ein eisiger Wintertag, die Bäume und Dächer sind mit feinem Schnee und Frost überzogen. Trotz der Kälte haben sich Menschen und Tiere nach Draußen gewagt. Man kann förmlich die am Himmel versammelten Krähen krächzen, die aufgeregten Hunde bellen und die Menschen auf dem zugefrorenen Fluss Lachen und Sprechen hören. Viele haben Kufen unter die Schuhe geschnallt, gleiten – mehr oder weniger elegant – allein oder Arm in Arm über das glatte Eis. Auch wenn die Gesichter der Menschen unscharf und verschwommen bleiben, sind sie uns nah und wir können die (vergängliche) Schönheit dieses Tages heute noch nachempfinden.
Henrick Averkamp, Eisvergnügen, um 1610, Öl auf Eichenholz, 25,3 x 36,3 cm
Ganz ohne Menschen kommt dagegen ein Gemälde im Galeriesaal des Schlosses Mosigkau aus: eine Winterlandschaft zeigt karge, schneebedeckte Bäume, die den Blick auf eine entfernte Klosteranlage freigeben. Es handelt sich um die mittelalterliche Abtei Groenendaal bei Brüssel. Der sie umgebende Sonienwald war ein beliebtes Jagdrevier. Friedrich Heinrich von Oranien (1584-1647) kannte es aus eigener Erfahrung und über das Erbe seiner Frau, Amalie zu Solms-Braunfels, gelangte die Winterlandschaft nach Anhalt. Geschaffen hat sie der flämische Maler Denis van Alsloot, der ab 1599 eine Werkstatt in Brüssel führte und in den Diensten von Albrecht VII. von Habsburg und seiner Frau Isabella von Spanien zu beträchtlichem Ansehen gelangte. Alsloots Winterlandschaft könnte als Teil eines Jahreszeitenzyklus oder wenigstens als Pendant entstanden sein. Groenendaal ist jedenfalls das am häufigsten wiederkehrende Motiv des Künstlers und das nicht nur in der kalten Jahreszeit, die Alsloot so meisterhaft atmosphärisch darzustellen wusste: Kein Laut ist zu hören, keine Bewegung zu spüren, kein Mensch zu sehen. Still liegt die Landschaft. Die Eichen strecken ihre weiß gepuderten Äste aus, auf dem See treiben kleine Eisschollen, die Pfützen auf dem Weg sind gefroren, Raureif überzieht Dächer und das spärliche Grün. Trotzdem wirkt die Szene nicht erstarrt. Als habe Denis van Alsloot mit dem zarten Morgenrot einen Hauch Wärme über die winterliche Landschaft strömen lassen.
Denis van Alsloot, Winterlandschaft, 1614, Öl auf Holz: 52 x 85,5 cm
Jana Kittelmann & Alexander Röstel, Abteilung Schlösser und Sammlungen