Die „Prävention“ (lat. praevenire – „zuvorkommen“) spielt im gesellschaftlichen Leben eine zunehmend bedeutende Rolle. Doch nicht nur in viel thematisierten Bereichen wie der Gesundheits- und Sozialpolitik, sondern auch in Schlösserverwaltungen und Museen rückt der Begriff immer mehr in den Mittelpunkt. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gewann die Präventive Konservierung hier an Bedeutung, gleichnamige Fachstellen und Fachbereiche entstehen seither in kulturellen Einrichtungen mit Sammlungsbestand. So auch in der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz.
Das im Jahre 2022 neu aufgestellte Referat der Kulturstiftung besteht daher aus einer Gemälderestauratorin als Referatsleiterin, einem Museumstechniker – und einem Restaurator für präventive Konservierung. Ihnen obliegen Pflege und Erhalt des mehr als 10.000 Objekte umfassenden beweglichen Kunst- und Kulturgutes im Gartenreich. Doch welche Aufgaben beinhaltet die Präventive Konservierung und welchen Herausforderungen steht sie gegenüber?
Die Schlüsselrolle fällt der Umgebung jedes einzelnen Kunstwerkes zu. Aus ihr ergibt sich, wie schnell und ausgeprägt sich Alterungsprozesse an den verschiedenartigen schützenswerten Materialien vollziehen. Um der Alterung und letztendlich dem Zerfall eines Kunstwerkes entgegenzuwirken, müssen schädigende äußere Einflüsse erkannt und nach Möglichkeit begrenzt werden. Maßnahmen sind erforderlich, wenn das Raumklima stark schwankt oder die Luft über längere Zeiträume zu feucht bzw. zu trocken ist. Ein angemessener Lichtschutz dient der Reduzierung von energiereicher Strahlung des Sonnenlichts, die auf die Objektoberfläche einwirkt. Und auch materialschädigende Insekten und Mikroorganismen müssen erkannt und weitgehend reduziert werden. Allgemein bekannte Folgeschäden sind Trockenrisse im Holz und Craquelés auf der Gemäldeoberfläche, ausgeblichene Seidenstoffe und kleine Löcher im Mobiliar, die durch den sogenannten „Holzwurm“ entstanden sind. Doch nicht immer sind die Schäden mit dem bloßen Auge sichtbar. Oftmals prägen sie sich über lange Zeiträume hinweg zunehmend stark und zumeist irreversibel aus.
Feine Rissnetze in der Malschicht (Craquelé) infolge von Klimaschwankungen (©KsDW, Maria Zielke)
Die historischen Innenräume in den Schlössern des Gartenreichs stellen als Umgebung zahlreicher Einzelkunstwerke eine besondere Herausforderung dar. Die Auswirkung des Außenklimas ist oftmals spürbar höher als bei Museumsneubauten und die Klimaregulierung entsprechend anspruchsvoll. Der Klimawandel erhöht mit zunehmenden Extremwetterlagen den Bedarf an mobilen Klimageräten, die in den Schlössern die Luftfeuchte regulieren. Doch auch sie sind nur Teil der Lösung, da höhere Temperaturen vielschichtige Zerfallsprozesse beschleunigen. Sind in Museen oftmals Klimaanlagen vorhanden oder kleinteilige Lösungen in Form von Museumsvitrinen mit stabilem Innenklima möglich, sind es in den historischen Schlössern u. a. weitläufige Festsäle, die die Umgebung eines Kunstwerkes bilden. Da die Schlösser des Gartenreichs von Gärten und Parks umgeben sind, macht ihre Lage sie für potentielle Schadinsekten besonders anfällig. Mithilfe von Klebefallen kann ein Befall jedoch frühzeitig erkannt werden. Wurden in der Vergangenheit deutschlandweit oftmals umwelt- und gesundheitsschädliche Biozide gegen Insekten eingesetzt, werden heute vorzugsweise biologisch unbedenkliche Maßnahmen ergriffen. Aber auch der Umgang mit potentiellen Lichtschäden stellt eine Besonderheit dar, da ein uneingeschränkter Blick aus dem Fenster in das Gartenreich für das Erlebnis der Gäste eine wichtige Rolle spielt.