Gartenreichbrief -
Neues von der Kulturstiftung

Pagode im Englisch-chinesischen Garten von Oranienbaum
© KsDW

Am 5. und 6. September 2024 fand in Wörlitz eine internationale Konferenz zu Chinoiserien an europäischen Höfen im 18. Jahrhundert statt. Die Konferenz war eine Kooperation des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Wien mit der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz unter der Leitung von Prof. Dr. Lukas Nickel und Dr. Anette Froesch.

Das Gartenreich Dessau-Wörlitz ist berühmt für seine architektonischen Pionierleistungen: Mit dem Schloss verfügt es über den Gründungsbau des Klassizismus in Deutschland und mit dem nahegelegenen Gotischen Haus über eines der ersten neogotischen Bauwerke auf dem europäischen Kontinent. Bislang relativ unbeachtet blieben die von chinesischen Vorbildern inspirierten Bauwerke und Innenausstattungen. Ausgehend vom französischen Wort für „chinesisch“, bezeichnet man diese als Chinoiserien.

Als Leopold III. Friedrich Franz, Fürst von Anhalt-Dessau (1740–1817) begann, sich für das fernöstliche China zu interessieren, betrat er kein Neuland: Bereits seine Tante, Anna Wilhelmine, hatte Schloss Mosigkau mit chinesischen Wandtapeten und Möbeln einrichten lassen. Ebenso wie vom Porzellankabinett im Dessauer Stadtschloss haben sich davon jedoch nur wenige Spuren erhalten. Anders steht es um die beiden Chinesischen Zimmer, die Fürst Franz gemeinsam mit seinem Architekten, Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, für das Wörlitzer Schloss konzipierte. Sie bilden bis heute den Auftakt für den Rundgang durchs Erdgeschoss. Wenige Jahre später erhielt auch das Schloss Oranienbaum, das bereits durch Franz‘ Urgroßmutter, Henriette Catharina von Oranien-Nassau, mit chinesischen Objekten ausgestattet wurde, weitere chinesische Zimmer, während der angrenzende Park um eine Pagode, ein chinesisches Teehaus und mehrere Brücken erweitert wurde.

Chin Zimmer Zuschnitt WebsiteChinesisches Zimmer im Schloss Wörlitz

Ergiebiger internationaler Austausch

Eine internationale Tagung setzte es sich um Ziel, diesen einzigartigen Bestand – einen der besterhaltenen weltweit – in Bezug zu anderen europäischen Höfen zu setzen. Dazu zählen berühmte Bauwerke in der direkten Umgebung wie die Sommerresidenz der sächsischen Könige in Pillnitz oder das Chinesische Teehaus in Sanssouci. Chinoiserien finden sich jedoch – ähnlich wie in Wörlitz und Oranienbaum – immer wieder auch in Innenräumen bestehender Anlagen, darunter beispielsweise das Schloss Schönbrunn in Wien. Referentinnen und Referenten aus Österreich, Italien, Frankreich, Spanien, Großbritannien, Tschechien, Ungarn und den Vereinigten Staaten stellten weitere wichtige Fallstudien im Rahmen halbstündiger Vorträge im historischen Gasthof „Zum Eichenkranz“ vor. 

Im Zentrum der anschließenden Diskussionen stand immer wieder die bislang unzureichend beantwortete Frage, was die zahlreichen Auftraggeberinnen und Auftraggeber dazu veranlasst hat, immense Summen für Chinoiserien zu investieren. Dabei stellte sich heraus, dass Chinoiserien weit über die Hofkultur hinaus Verbreitung fanden: Auch tschechische Klosteranlagen oder englische Landsitze wurden entsprechend ausgestattet. Eine weitere interessante Erkenntnis war, dass Chinoiserien Räume schaffen konnten, die den Dialog über konfessionelle und politische Grenzen hinweg gefördert haben. Dank der großzügigen Unterstützung des Österreichischen Wissenschaftsfonds und des Exzellenz-Clusters „EurAsian Transformations“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften konnte diese Tagung realisiert werden. Ein Tagungsband soll im kommenden Jahr erscheinen.

Alexander Röstel, Abteilung Schlösser & Sammlungen