Immer wieder wird das Haus der Fürstin wegen seiner Farbgebung auch "Graues Haus" genannt. Selbst Fürstin Louise bezeichnet ihr Rückzugsdomizil als „mein kleines Graues Haus“.
Im Zuge der aufwendigen Restaurierungsarbeiten zur Umwidmung des Hauses als Ausstellungszentrum der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz haben Bauforschungen dazu einiges an Licht gebracht. So ist das Antlitz des Gebäudes gar nicht so trist, wie man bisher vermutete. Es ließ sich feststellen, dass in allen drei Bauphasen, in welchen das Haus verändert wurde, die Fassade mit einem Stippputz versehen war. Es handelte sich also um eine bewegte Fläche - ganz im Gegensatz zu der schlichten Glattheit des bisherigen Erscheinungsbildes.
Selbst die Farbigkeit sorgte für großes Erstaunen. In den ersten beiden Phasen war der Putz durchgefärbt. In der dritten Bauphase wurde der Putz im Farbton des durchgefärbten Putzes gefasst. Allerdings bei Weitem kein kühles Grau, nein, ein sanfter, gedeckter Altrosaton wurde befundet.
Der Teufel steckt im Detail.
Eine lange Prozedur an Prüfungen, Proben in Materialität und Farbigkeit, sowie deren Verarbeitungen waren nun notwendig, um die historischen Befunde so genau wie möglich zu imitieren. So wurden zur Nachstellung des Stippputzes und des Glattputzes 19 Rezepturen mit verschiedenen Zuschlägen und Farbtönen angelegt. Sande aus der Region, Pigmente aus Italien und viele weitere Zuschlagsstoffe wurden herangeschafft. Mit den Materialien wurden kleine Proben angelegt, um den Findungsprozess der verschiedenen Mischungen dokumentieren zu können.
Um die Haftzug- und die Druckfestigkeitsprüfung zu bestimmen, folgten weitere Muster des anzuwendenden Putzes auf Klosterformatziegeln, dem Werkstoff, aus dem der Rohbau des Hauses errichtet wurde. Selbst die Verarbeitung des Putzes wurde erprobt, denn er heißt nicht ohne Grund Stippputz. Mit einem Reisigbesen wird in den an die Wand aufgebrachten und glatt gestrichenen Wandputz ein unregelmäßiges Muster gestippt. Der Teufel steckt im Detail: Sowohl Reisigdurchmesser, Besendurchmesser am Kopf, die Anzahl der Reisigstücke sowie die Tiefe der Stipplöcher wurden in aller Akribie erprobt, final festgelegt und immer wieder mit den originalen Fragmenten verglichen.
Die ermittelte Rezeptur, die Technologie und die verwendeten Materialien bildeten dann die Grundlage für eine Probefläche am Haus selbst. Wie verhält sich der Putz am Bauwerk? Wie ist das Erscheinungsbild nach dem Trockenprozess? Ist die Anzahl der Zweige in den Reisigbündeln doch noch anzupassen?
Nach erfolgreicher Putzprobe erfolgte im Mai dieses Jahres schlussendlich die Umsetzung der mühevollen Vorarbeit. Auf der Baustelle selbst wurden nun alle Zutaten unter dem Wetterschutzdach vorsortiert. Wie in einer Hexenküche standen Sande und zahllose Beutelchen mit abgewogenen Pigmenten und Zuschlagsstoffen bereit, um verarbeitet zu werden. Angemischt wurde alles mit Schubkarren zum Einsatzort gebracht. Eine schweißtreibende Arbeit. Wie wir finden, hat sich die Mühe allemal gelohnt! Ein großer Dank geht dabei an die fleißigen Putzer und Maler der beteiligten Firmen.