Bis zum Wintereinbruch in der letzten Novemberwoche wurde am Limesturm noch fleißig gewerkelt. Jetzt ist am Deichwächterhaus in der Nähe des Schönitzer Sees erst einmal Winterruhe eingekehrt.
Der Limesturm und seine Vorbilder…
„Das Nützliche mit dem Schönen verbinden“ war der Leitspruch des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau, der auch den Hochwasserschutz an Elbe und Mulde umfasste. So entstanden von 1770 bis 1800 zahlreiche Wallwachhäuser entlang der Deiche des Gartenreichs. Diese eigentlichen Zweckbauten wurden durch ganz unterschiedliche äußere Formen in die Landesverschönerung eingebunden. Zu ihnen zählt auch der sog. „Limesturm“ im Stil eines römischen Wachturms. In der Karte der Herzogl. Anhalt Dessauischen Ämter von 1817 und 1818 ist er als Hohe(s) Wachhaus eingezeichnet.
Die Bezeichnung „Limesturm“ prägte der Kulturhistoriker Prof. Dr. Erhard Hirsch. In seinem Werk „Dessau-Wörlitz, Aufklärung und Frühklassik“ schildert er: „Das Unterrichtende mit dem Praktischen verbunden zeigt sich überall, von der Nachbildung der Hadrianswälle Nordenglands im Luisium bis zur archäologischen Rekonstruktion eines römischen Limes mit Wachturm und einem Walldurchlaß, wo der Elbdamm die italienisch-römische Kulturlandschaft gegen die ‚Barbarenstämme‘ vom Norden her abschirmt.“( Hirsch 1987, S. 217) Die benannten ‚Barbarenstämme‘ sind eine interessante Metapher für den Schutz des Deiches vor Treibholz und Eis während eines Hochwassers.
Tatsächlich lassen sich auch hinsichtlich des Aufbaus Parallelen zwischen der Anlage am Wallwachhaus und dem obergermanischen Limes ziehen. Von der Elbe aus gesehen stellt sich der Querschnitt wie folgt dar: ein waldfreies Gelände, ein kleiner Wassergraben, eine Aufreihung von Walleichen (Andeutung einer „Palisade“), anschließend der Deich selbst, ein Laufweg und nochmals ein Wassergraben. Auch eine Deichscharte, welche bei Hochwasser verschlossen werden kann, gehört zur Szenerie, die Erhard Hirsch wie folgt als Bildungsabsicht beschreibt:
„Die Platzierung an einem Wall-Durchlaß (…), sein weit ausladendes Dach, dessen Vorkragung den Sonnenschirm für die Beobachtungsposten lieferte, die vor den Wall gesetzte Palisade aus Eichenstämmen (die auch zugleich die Eisblöcke bei Hochwasser der Frühjahrsschmelze vor dem Deich abbremsten) und schließlich der Graben (hier mit Wasser gefüllte für Fischzucht und als Viehtränke genutzt): All dies als ein aufwendiges, eindrucksvolles pädagogisches Programm zum Hintergrund, (…)“ (Hirsch: Kleine Schriften zu Dessau-Wörlitz, 2011, S. 57).
Nicht von der Hand zu weisen ist die Ähnlichkeit zu den um 1800 errichteten Taubenhäusern auf den Gehöften von Riesigk, Vockerode und Griesen, weswegen der Limesturm von Einheimischen auch gern als „Taubenhaus“ bezeichnet wird. Alle weisen eine überkragende Fachwerketage über einem gemauerten Erdgeschoss sowie ein Pyramiden- oder Satteldach auf.
Evident denkbar, so zeigt Erhard Hirsch auf, ist der Bezug zum Motiv eines spätmittelalterlichen Zollturm, der heute immer noch an der äußeren Rundung des Circus Maximus in Rom steht.