Im Sommer ist in das Haus der Fürstin das Ausstellungszentrum der Stiftung eingezogen. Wie der Name schon verrät, lebte hier die Fürstin Louise mit ihren Bediensteten. Später wurde das Haus von ihren Nachfahren genutzt.
Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740–1817) ließ das Haus der Fürstin 1789/1790 nach Plänen von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736–1800) in neugotischer Formensprache errichten. Erdmannsdorff orientierte sich hier stark an der Architektur eines bekannten englischen Herrenhauses, an Sheffield Place in der Grafschaft Sussex. Ursprünglich sollte das Haus als Probstei genutzt werden. Auf Wunsch der Fürstin Louise von Anhalt-Dessau (1750–1811) wurde es aber als ihr persönlicher Rückzugsort fertiggestellt.
In dem zunächst fünfachsigen Gebäude befanden sich im Erdgeschoss das ehemalige Speisezimmer mit den heute noch erhaltenen Leinwandtapeten, die dahinter liegende Silberkammer und die Küche sowie das Zimmer der Hofdame und das der Kammerfrau. Eine steile Treppe führte in das Obergeschoss. Über das Entree mit Zugang zu dem Balkon gelangte man in die Wohnstube der Fürstin, die durch eine Tapetentür mit dem anschließenden Schlafzimmer verbunden war. Südlich des Entrees schloss die „Bücherkammer“ mit dem erhaltenen originalen Bücherschrank an. Im ehemaligen Schreibkabinett befindet sich heute wieder der originale Schreibsekretär der Fürstin, an dem sie ihre Briefe und Tagebucheinträge verfasste. Die Galerie wurde 1804/1805 im Auftrag des Fürstenhauses von Carlo Ignazio Pozzi (1766–1842) angebaut.
Das spitzbogige Tonnengewölbe des Obergeschosses der Galerie ist mit Malereien versehen, das Giebelfenster enthält fünf Glasgemälde aus der fürstlichen Sammlung. Die Galerie nutzte Louise, um sich bei schlechtem Wetter zu bewegen, Gäste zu empfangen und um trockenen Fußes zur Kirche zu gelangen. Und als ihr das Treppensteigen schwerfiel, speiste sie in dem langgesteckten Raum.
„Ich besahe die Gallerie und ich hatte mit Tischler und Glaser zu reden, denn Eisen brachte mir einen neuen Schrank [...] und Knoblauch sezte die Spiegel Scheiben in die Schräncke ein.“ (Tagebuch Louise, 9. 4.1806) (© KsDW, Bettina Schröder-Bornkampf)
Wenn sie nicht auf Reisen war oder sich zu offiziellen Anlässen in der Dessauer Residenz aufhalten musste, dann bewohnte die Fürstin das von ihr als „graues Kloster“ bezeichnete Haus in ihren späteren Lebensjahren ganzjährig – gemeinsam mit einer Kammerfrau, einer Magd und zeitweilig einer Hofdame. Zu Louises Vertrauten und regelmäßigen Besuchern zählten der Dichter Friedrich von Matthisson (1761–1831) und die Hofdame und Freundin Dorothea von Raumer (1752–1827).
Nach dem Tod der Fürstin nutzte die herzogliche Familie das Haus vor allem während der Sommermonate. Mitte des 19. Jahrhunderts ließ der Ur-Enkel des Fürsten Franz, Herzog Friedrich I. von Anhalt (1831–1904), das Wohnhaus im Norden und im Süden um jeweils zwei Achsen erweitern.
Von 1918 bis in die frühen 2000er Jahre wurde das Gebäude von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Joachim-Ernst-Stiftung und ihrer Nachfolgeeinrichtungen bewohnt, so z. B. von Gartendirektor Hans Hallervorden (1870–1968). Anschließend wurde es für Ausstellungen genutzt und von 2019 bis 2023 umfassend saniert. Heute ist das Haus der Fürstin als Ausstellungszentrum der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz ganzjährig nutzbar und rollstuhlgerecht zugänglich.
Bettina Schröder-Bornkampf, Abteilung Schlösser und Sammlungen